12 Dez 2020

§ 23 Abs. 1 StVO bzw. Touchscreennutzung am Steuer

Liebe Unioner,

es ist in den letzten Jahren viel über den § 23 StVO und hier über den Absatz 1a geschrieben und gestritten worden. Auch ich habe Euch hier schon einiges ausgeführt, insbesondere, soweit es um die verbotene Handynutzung während des Autofahrens geht. Bei sorgfältiger und genauerer Betrachtung dieser Regelung fällt jedoch auf, dass mit dieser Norm nicht nur das Verbot des Telefonierens während des Autofahrens ohne Nutzung einer Freisprecheinrichtung sanktioniert werden sollte, sondern wesentlich mehr.

Was durch die zunehmenden technischen Entwicklungen der Fahrzeuge immer mehr in den Vordergrund gerät, ist die Nutzung mobiler, bei vielen Fahrzeugen mittlerweile aber standardmäßig fest eingebauter, Touchscreens.

Es ist mittlerweile gängige Rechtsprechung, dass hier keinerlei Unterscheidung mehr dahingehend gemacht wird, ob die Geräte mobil oder fest eingebaut worden sind. Nach vorliegenden obergerichtlichen Entscheidungen fallen sie so oder so in den Regelungsbereich des § 23 StVO.

Aber gibt es Ausnahmen beim Verbot der Nutzung während der Fahrt?

In einem Verfahren, in dem es um ein Elektrofahrzeug ging, wurde gestritten, ob es sich im Einzelnen um Geräte handelt, die dem Regelungsbereich des § 23 StVO unterliegen, weil sie z.B. der Navigation oder ähnlichem dienen oder, ob es sich möglicherweise auch um ein sicherheitstechnisches Bedienteil handeln könnte, wie z.B. zur Regulierung von Scheibenwischintervallen.

Für zulässig wird man die Nutzung grundsätzlich dann erachten, wenn zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze Zeit, eine den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist. Dass diese Regelung Auslegungsschwierigkeiten mit sich bringen dürfte, liegt auf der Hand. Es wird mithin im Einzelfall immer darauf ankommen, ob nun die Nutzung dieser Gerätschaften unter Beachtung der Zulässigkeitskriterien erfolgte oder nicht.

Auch der Gesetzgeber wollte sich hier, was die Festlegung einer Maximaldauer der zulässigen Nutzung angeht, nicht festlegen. Ging man zunächst von einem Zeitraum von 1 Sekunde aus, hat man später davon abgesehen, einen konkreten zeitlichen Rahmen zu bestimmen, für den die Blickabwendung zulässig sei. Weitere Ausnahmen für die Nutzung dieser Gerätschaften gibt es insoweit, wenn sie dafür genutzt werden, um dem Fahrer das Rückwärtsfahren oder Einparken zu erleichtern, wobei hier vorausgesetzt wird, dass die Fahrzeuge nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren.

Man wird aber nicht umhinkommen, festzustellen, dass in ganz überwiegendem Umfang die Touchscreennutzung während der Fahrt nicht zulässig ist, soweit es sich nicht um Vorgänge handelt, die nur einen minimalen Zeitraum umfassen.

Es werden hier also neue Anforderungen an die Autoindustrie entstehen, Systeme zu entwickeln, die es auch in Zukunft trotzdem ermöglichen, diese Gerätschaften zu nutzen. Es gibt schon eine Reihe von Umsetzungen, wie z.B. die Sprachsteuerung der Geräte, die es dem Fahrer ermöglicht, ohne Berührung von Bildschirm und ohne den Blick auf den Bildschirm zu richten, Funktionen wie Telefon, Navigation oder Unterhaltungselektronik zu nutzen.

Letztlich wird man sehen, wie solche Verstöße geahndet werden sollen, weil insbesondere die zeitliche Zuordnung der Ablenkung sehr schwer fallen wird, außer es gibt Beobachtungen, nach denen Autofahrer, z.B. im stehenden Verkehr über längere Zeit ihre Konzentration im Wesentlichen auf die Nutzung von Touchscreens richten. Hier wird die Kreativität bei Entlastungsaussagen gefragt sein, wenn man einen Bußgeldbescheid vermeiden will.

Eisern Union

Dirk Gräning

Rechtsanwalt